Tribut an Anton Ölzelt

Geschichte eines Wahrzeichens

Schon Kronprinz Rudolf und Mary Vetsera sollen einander heimlich im heutigen Gmoakeller getroffen haben, deshalb hieß das Lokal lange Zeit „Zum Kronprinzen“. 1858 waren Haus und Gaststätte von Baumeister Anton Ölzelt dem Älteren errichtet worden.

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts entstand im Bereich südlich der heutigen Marokkanergasse die k.k. Reiterkaserne, später Fuhrwesen- und schließlich seit den 1840er Jahren Heumarkt-Kaserne genannt. Der weitläufige Kasernenbau wurde anfang des 20. Jahrhunderts abgerissen, die Gründe parzelliert und teilweise bebaut.

Östlich des Heumarktes erwarb der Stadtbaumeister Anton Oelzelt (1817-1875) mehrere Parzellen, die er in den 1850er Jahren mit Wohnhäusern bebaute. Alle zeigen den typischen, kleinteiligen Dekor des Romantischen Historismus, teilweise kombiniert mit Elementen des englischen Tudor-Stils. Vor 1846 arbeitete Oelzelt unter anderem in Znaim, seit 1850 war er k.k. Hofbaumeister. 1856 bis 1860 wirkte er als Baumeister für Ferstels Österreich-Ungarische Bank auf der Freyung.

Auch das Haus am Heumarkt 25, Ecke Marokkanergasse 1 bzw. Oelzeltgasse 12 war das Werk von Stadtbaumeister Anton Oelzelt. Seit der Erbauung 1858 befand sich dort ein Wirtshaus. Das Straßenniveau befand sich auf Höhe der heutigen Nebenfahrbahn, sodass wohl auch früher schon ein Gastgarten betrieben worden ist.

Ein typisch wienerisches Wirtshaus hatte einen schwarz geölten Fußboden, grün gestrichene Fenster und – zumindest teilweise – holzverkleidete Wände, an denen die Gardarobehaken angebracht waren. Kernstück des Gastraumes war die Schank mit Blechabdeckung und eingebautem Gläserwaschbecken, dahinter die Kühlanlage mit den Zapfhähnen für Bier und Sodawasser. Bis in die Nachkriegszeit erfolgte die Kühlung noch mit Eisblöcken, die von großen Eiswägen angeliefert wurden. Beliebt waren Durchreichen zur Küche, in deren Nähe der Stammtisch für besonders liebe Gäste oder auch für Familienmitglieder zu finden war. Eine besondere Ausschmückung erfuhr die Umgebung der Stammtische durch Urlaubsgrüße oder originelle Fotos von Stammgästen, die dort an den Wänden hingen.

Um 1940 erwarb Andreas Herzog das Gasthaus Wimmer „Zum Kronprinzen“ und begann mit dem Großhandel von Golser Weinen. Herzog kam direkt aus Sopron und betrieb nicht nur das Wirtshaus, sondern auch einen Weinhandel mit Golser Wein. Irgendwie bekam der Golser Gmoa-Keller für die umliegende Gegend tatsächlich die Funktion eines “Dorfwirtshauses”: Hier war die Umschlagbörse für lokal bedeutsame Nachrichten, hier hatten viele Familien ihre Wohnungsschlüssel hinterlegt. Auch die “Grätzl-Prominenz” hatte ihre Stammtische im Gmoa-Keller.

Bis zu sieben Kellner bewerkstelligten früher den Gastbetrieb im Gmoakeller. Später schaffte es die Besitzerin Grete Novak unter Mithilfe von je einer – meist ungarischen – Verwandten (Rozsi, Marika oder Vera) und unter Mitwirkung von Stammgästen alleine, weil jeder für “seinen” Tisch verantwortlich war und “seine” Leute demnach selbst zu bedienen hatte.
In der Schlange vor der Schank oder vor der Küche standen dann Musiker, Schauspieler, Botschafter, Kabarettisten und sogar geistliche Würdenträger zwischen Normalsterblichen und warteten auf ihr Bier, ihren Wein, ein “Obi-G’spritzt”, aufs Gulyas oder Beuschl. Wenn Not am Mann war, durften besonders vertraute Stammgäste sogar einige Gläser spülen.

Nach dem Krieg kam viel Polit-Prominenz ins Lokal, schließlich fanden eine Reihe von Parteitagen im Konzerthaus statt – viele der anderen Veranstaltungsräume waren zerstört; Besuche von Figl, Pittermann, Schärf, Körner und Raab sind überliefert. Oft ging es bis tief in die Nacht hoch her, sodass das Personal auf den großen Wirtshaustischen nächtigte, um am Morgen wieder rechtzeitig aufsperren zu können.Im Zuge der Ungarischen Revolution 1956 kamen viele Angehörige der Familie Herzog aus Sopron nach Wien. In der ersten Zeit war man froh, beim Andreas-Onkel Unterschlupf zu finden. In der zum Wirtshaus gehörenden Wohnung schliefen bis zu fünfzehn Familienangehörige in zwei Zimmern und drei Kabinetten. Für die sieben Kinder wurde die Wirtsstube zum Wohnzimmer und zum Erlebnisspielplatz.

Im Jahr 1956 kam die Familie Herzog (so der Mädchenname der vier Schwestern Grete, Mitzi, Hedi und Gizi) aus Sopron zu den bereits in Wien wohnenden Verwandten. In der Küche war deshalb ungarisch die Umgangssprache; im Gastraum unterhielten sich Mitzi und Grete hingegen wienerisch, wie es im alten Ödenburg bei der dortigen Bevölkerung üblich war.

Nach dem Tod des Onkels um 1960 übernahm Grete das Gasthaus. Es florierte bis in die 70er Jahre recht gut. Im Keller wurde in den Nachkriegsjahren Jazz gespielt, dort hatte der “Vienna Hot Club” sein Domizil, Joe Zawinul und Fatty George spielten hier. Die Kegelbahn(!) wurde von den Bauarbeitern des Hotel Intercontinental eifrig benützt.

Mit fast 40 Jahren heiratete sie den Waldhornisten der Wiener Philharmoniker Novak, der 20 Jahre älter war. Nach einer kurzen, sehr glücklichen Ehe wurde das Wirtshaus endgültig zu ihrem Lebensmittelpunkt. Das Grab ihres Ehemannes besuchte sie bis zuletzt regelmäßig am Sonntag, solange es ihre Gesundheit zuließ.

In der Zeit des „Beislsterbens“ gingen auch im Gmoa-Keller die Geschäfte schlecht. Um 1970 wurde das Lokal von einer Reihe junger Schauspieler wiederentdeckt; Musikstudenten, Chorsänger und Journalisten trugen zu einer Verjüngung des Publikums ebenso bei, wie ausländische Flug-Crews, die im Hotel Intercont nächtigten und typische Wiener Beiseln schätzten.Weltberühmte philharmonische Orchester kamen nach Konzerten, und immer mehr Prominente, die hier ihre Geburtstage feierten oder Bücher präsentierten.

Im Herbst 1998 wurde Grete Novak das Goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich für ihre “Anerkennenswerten Verdienste für die heimische Beisl-Kultur” verliehen. Sie war Ehrenbürgerin von Wien-Landstraße und Trägerin der Goldenen Verdienstmedaille der Stadt Gols.
Nach dem Tod von Grete Novak am 9. Februar 1999 übernahm ihre Schwester Hedvig Vécsei (geborene Herzog) mit 81 Jahren das Lokal (in dem sie bereits zwanzig Jahre zusammen mit Grete und Mitzi gearbeitet hatte) um zu gewährleisten, daß der GmoaKeller in Gretes Sinn – also möglichst unverändert – weitergeführt wird. Hedvig Vécsei starb am 18. Mai 2010 in Wien.

Innerhalb einer Generation ist von all dem nur wenig geblieben. Die neuen Lokale sind heller, pflegeleichter geworden, Verhänge und Tischtücher sind aufeinander abgestimmt, und natürlich gibt es Zentralheizung und hygienisch einwandfreie Toiletten. Zu Dekorationszwecken wird gerne alter Hausrat an die Wände gehängt, die Einrichtung ist mehrheitlich rustikal gestaltet, natürlich alles neu, denn Patina ist verpönt.

Die Speisekarten sind international und haben geröstete Erdäpfel, panierten Leberkäs oder Würstel mit Saft verdrängt. Neue Essgewohnheiten ersetzen die alten, ein Prozess, der über viele Jahre fast unmerklich voranschreitet. Plötzlich hat ein Wirtshaus vom alten Schlag Seltenheitswert, es kann sich sogar zum Prominententreff mausern, eben weil sowohl bei der Einrichtung als auch bei der Speisekarte die Zeit stehengeblieben zu sein scheint.

Ein besonders schönes Beispiel eines solchen Wiener Wirtshauses ist der (Golser) Gmoa-Keller.

Die Eingangstür war in der Regel verglast, oft mit einer weiteren Tür – manchmal auch mit einem dicken Vorhang – als Windfang verbunden. Jede dieser Türen verursachte ein unverwechselbares Geräusch, sodass unbewußt auch ein akustisches Signal zum Eintritt in das jeweilige Stammbeisl gehörte.Typisch für ein Wiener Gasthaus war auch der Geruch nach geröstetem Zwiebel bzw. nach Gulyas, typisch auch die träge Stimmung an heißen Sommertagen, wenn nur wenige Gäste anwesend waren, und wenn deshalb die Zeit zu oft sehr persönlichen Gesprächen blieb. Beliebt waren Durchreichen zur Küche, in deren Nähe der Stammtisch für besonders liebe Gäste oder auch für Familienmitglieder zu finden war. Eine besondere Ausschmückung erfuhr die Umgebung der Stammtische durch Urlaubsgrüße oder originelle Fotos von Stammgästen, die dort an den Wänden hingen.

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